Jeden Tag fahren Ăltanker der sogenannten russischen Schattenflotte an der norddeutschen KĂŒste entlang. Russland verschifft so sein Rohöl - mutmaĂlich sanktionswidrig - und finanziert seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine. FĂŒr die deutsche KĂŒste sind die Schiffe eine Gefahr: Zum einen, weil sie alt sind und es bei UnfĂ€llen zu einer Ălpest kommen könnte, zum anderen, weil die Schattentanker in Verbindung mit FĂ€llen von Sabotage und Spionage stehen.
FĂŒr die NDR Story haben die Reporter Lennart Banholzer und Simon Hoyme die deutsche Marine in das Gebiet der Schattenflotte begleitet und sind der Frage nachgegangen, warum es dem Westen und insbesondere der EuropĂ€ischen Union nicht gelingt, die Schattenflotte zu kontrollieren oder gar zu stoppen.
FĂŒhren die Alttanker auch Sabotageakte aus?
Im Rahmen der internationalen Marine-Mission "Baltic Sentry" (Ostsee-Wache) beobachten deutsche EinsatzkrĂ€fte verdĂ€chtige Schattenschiffe rund um die Uhr. Das solle PrĂ€senz signalisieren, erklĂ€ren sie in der NDR Story, und zur Abschreckung beitragen. Denn die Hunderte Alttanker stehen nicht nur im Verdacht, Sanktionen zu unterlaufen, sondern auch, Sabotageakte gegen die kritische westliche Infrastruktur auszufĂŒhren.
Russische Kriegsschiffe begleiten Tanker der Schattenflotte
Und wie die Reporter auf hoher See miterlebten, sind die Schattentanker auch aus russischer Sicht alles andere als einfache Handelsschiffe. So begleiten mittlerweile regelmĂ€Ăig Kriegsschiffe der russischen Marine die Schattentanker. Bei den Vorbeifahrten sind offenbar Maschinengewehre mit Soldaten in voller AusrĂŒstung besetzt, also schussbereit. Auch vor den KĂŒsten Estlands und Polens kam es in den vergangenen Monaten zu gefĂ€hrlichen Begegnungen mit russischen Kriegsschiffen. In einem Fall schickte Russland sogar einen Kampfjet zum Schutz eines Tankers.
Sorge vor Umweltgefahren in der Ostseeregion
Dass die Ăltanker auch Umweltgefahren mit sich bringen, zeigen UnfĂ€lle wie etwa im Schwarzen Meer. Eine groĂe Sorge, die die Ostseeanrainerstaaten umtreibe, sei ein absichtlich herbeigefĂŒhrter Unfall als Teil hybrider KriegsfĂŒhrung Russlands, beschreibt der Sicherheitsexperte Sebastian Bruns vom Institut fĂŒr Sicherheitspolitik an der UniversitĂ€t Kiel. Die deutsche Marine habe nicht genug Schiffe und KapazitĂ€ten, um alle verdĂ€chtigen Ăltanker lĂŒckenlos zu ĂŒberwachen. Auch Aktivisten von Greenpeace sehen Russlands Schattentanker als groĂe Gefahr. Bei einer Protestaktion auf der Ostsee pinselten sie im Januar "Risk!" (Risiko) an die Bordwand eines Schattentankers - in voller Fahrt.
Kritiker: EU-Sanktionen reichen nicht aus
Internationale Kritiker wie der Wirtschaftswissenschaftler Robin Brooks vom Washington Thinktank Brookings Institution fordern denn auch gerade von der EU eine hĂ€rtere Gangart gegen die Schattenflotte. "Die USA haben im Januar 193 russische Schiffe sanktioniert und damit Russlands Ălexporte auf See drastisch einbrechen lassen", sagt er. TatsĂ€chlich sanktionierte auch die EU weitere Schiffe, zuletzt nach langem Ringen mit der Slowakei, auch das inzwischen 18. Sanktionspaket. "Es ist an der Zeit, dass die EU nun in der Ostsee die Schattenschiffe stoppt", so der Washingtoner Wissenschaftler Brooks.
Einer, der die Beratungen in BrĂŒssel gut kennt, ist der ehemalige AuĂenminister von Litauen, Gabrielius Landsbergis. Er war bis Ende 2024 im Amt und bezeichnet die Sanktionen der EU heute als "Show". Eigentlich mĂŒsse das Ziel der EU sein, dass Russland die Sanktionen nicht umgehen kann. DafĂŒr mĂŒssten sie stĂ€ndig angepasst und erweitert werden. "Bei jedem Treffen sprechen wir ĂŒber die Bedrohung durch Russland. Doch wo haben die Russen das Geld fĂŒr ihre Armee her? Es ist das gleiche Geld, das sie durch das Ăl und die Sanktionsumgehung verdienen."
Verkauf alter Schiffe bietet hohe Profite
Es gibt zudem die Vermutung, dass bisher auch westliche GeschĂ€ftsinteressen eine konsequentere Umsetzung der EU-Sanktionen verhindert hĂ€tten. Beispielsweise gehörten etliche der Schattentanker ARD-Recherchen zufolge vor Beginn des Ukraine-Krieges westlichen Reedereien, darunter auch deutsche, und wurden dann mit vergleichsweise hohen Profiten an ZwischenhĂ€ndler verkauft, die sie wiederum dem russischen Ălhandel zufĂŒhrten.
Die neuen Betreiber sind dabei nicht zwingend russische Betreiber, wie ein im Film anonymisierter örtlicher Marktkenner erlÀutert, sondern vor allem Firmen in Dubai. "Schon mit einer einzigen Fahrt", schildert der Insider, "sind bis zu zehn Millionen Dollar Gewinn erreichbar." Allerdings hÀtten die in Dubai registrierten Firmen dort meist nur BriefkÀsten, die Auftraggeber agierten zumeist von Indien aus.
Ziel-HĂ€fen der Schattenflotte: Indien
Wie die NDR Story mithilfe von Datenanalysen nachzeichnet, ist Indien das Ziel vieler Ăltransporte per Schattentanker. Denn sie liefern dem Land das Rohöl fĂŒr örtliche Raffinerien, die daraus etwa Benzin oder Diesel produzieren, das Indien exportiert